Krimis

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Spreewald, da denken wir doch eher an Gurken als an Morde. In diesem Buch werden dermaßen exzessiv Spreewaldgurken serviert, dass sie den armen Gästen fast zu den Ohren wieder rauskommen. Das liegt aber nicht daran, dass die Leute im Spreewald nicht mehr ganz bei Verstand wären – dieses gurkenreiche Menü wurde von einem Verleger aus Köln bestellt, der seine StarautorInnen und die seiner Meinung nach maßgebliche Rezensionsschar zu einem literarischen Wochenende eben in den Spreewald einlädt. In der Hoffnung auf schöne Artikel, auf Rezensionen, auf Verkaufserfolge.

Das geht natürlich alles schief, wir haben es hier ja schließlich mit einem Krimi zu tun.

Doch ehe der Mord geschieht, führen die Versammelten einen wahren Jahrmarkt der Eitelkeiten auf, sei es nun die Philosophin, die eine Ideengeschichte des Penis geschrieben hat und sich mit ihren Liebhabern grundsätzlich siezt, weil man das alles nicht so persönlich nehmen soll, oder der angejahrte Autor, der mit seiner schleimigen Altherrenerotik brilliert.

Mittendrin: Krimiautorin und Gelegenheitsdetektivin Linn Kröger. Die den Mord aufklären, aber feststellen muss, dass im Spreewald alle zusammenhalten, was Aufklärungen aller Art doch sehr behindert.

Witzig und spannend, und wer jetzt denkt, ja, ja, die Literaturszene, wird beim Lesen bald merken: Nur ein paar Namen und Requisiten austauschen, und schon sind wir mitten in der Musik.

Isabel Rohner: Gretchens Rache, Ulrike Helmer Verlag, 200 S., 14,-- www.ulrike-helmer-verlag.de (GH)

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Die englische Autorin Rebecca Tope haben wir ja schon mehrfach angepriesen, und damit machen wir auch weiter, bis sich endlich ein deutscher Verlag für diese grandiosen Krimis findet – und dann erst recht. Hier geht es nun weiter mit der Cotswolds-Serie.

Thea Osborne, wir erinnern uns, muss nach dem Tod ihres Mannes ihr Leben neu sortieren, und um zu sich zu kommen, verdingt sie sich als House-Sitterin. Diesmal scheint alles ganz einfach zu sein. Eine ungeheuer sympathische und unkomplizierte Patchwork-Familie möchte zwei Wochen in Irland verbringen und vertraut Thea Haus, Garten und eine Menge Getier an, z.B. ein fußkrankes Pony (das dann in der Geschichte eine wichtige Rolle spielen wird).

Thea freut sich auf zwei ruhige Wochen – aber natürlich überstürzen sich die Ereignisse. Ihre Schwester Jocelyn sucht vor ihr Zuflucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann, und in der Scheune hängt ein Selbstmörder. Genauer gesagt, wie es sich herausstellt, wurde er in einer anderen Scheune ermordet und dann in der von Theas Arbeitsgebern aufgehängt. Die, scheinbar so sympathisch und unproblematisch, sind nicht zu erreichen, und die ganze Nachbarschaft, allesamt extrem unsympathisch und problematisch, versucht mit allen Kräften, Thea und Jocelyn aus dem Haus zu vertreiben. Aber die beiden können nicht weg, denn der gewalttätige Gatte darf Jocelyn ja nicht finden. Und dann stellt Thea auch noch fest, dass sie den ermittelnden Kommissar ein bisschen zu attraktiv findet. Ganz viel Lokalkolorit, wunderbare Beschreibungen von Land und Leuten, kluge Sprüche, dieses Buch ist wieder ein Genuss.

Rebecca Tope: A Cotswold Ordeal, Allison & Busby, 349 S, 8,99 £, http://www.rebeccatope.com/    (GH)

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Julia von Sandra Newman

Wer kennt nicht 1984, wenigstens vom Hörensagen? Orwells Dystopie über den totalen Überwachungsstaat. Die Geschichte von Winston Smith, der der Liebe in die Falle geht und zwar im doppelten Sinne, einmal verliebt er sich in Julia und diese Liebe bringt ihn in das Liebesministerium, wo O’Brien herrscht und ihn foltert. Denn im Liebesministerium bedeutet Liebe Hass. Dort zu landen ist nicht unbedingt schwer, denn es ist nahezu unmöglich nicht Denkkrim, Sexkrim oder sonst was für ein Krim zu begehen.

Sandra Newman nun, erzählt im Grunde die selbe Geschichte, nur halt aus der Sicht von Julia, die Maschinistin in der Fiktion ist, wo ihr auch Winston auffällt. Julia mauschelt sich so durchs System, macht Schwarzmarktgeschäfte, zeigt die richtige Form von Interesse am Staat und will einfach nur so geschmeidig wie möglich überleben. Doch durch die Maschen des Systems flutscht man nicht so leicht, und irgendwann steht sie vor der Alternative für die Partei als Spionin zu arbeiten, was ihr, genauso wie Winston, zum Verhängnis wird.

Sandra Newman hat Julia mit der Erlaubnis der Orwell Gesellschaft geschrieben, die Dialoge zwischen Julia und Winston, sowie Winstons Folterung, wurden eins zu eins übernommen. Die deutsche Übersetzung von Karoline Hippe orientiert sich an der Neuübersetzung von 1984 von Frank Heiberts, S. Fischer Verlag 2021.

Fazit in Neusprech: Doppelplusgut

Julia

Autorin: Sandra Newman

Übersetzerin: Karoline Hippe

Verlag: Eichborn

ISBN: 978-3847901563

Preis: 24,00 €

(Kabra)

Regionalkrimi. NACHTENGEL

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Regionalkrimi, Pendragon Verlag, 283 S., 13.90 www.pendragon.de (GH)

Endlich ein neuer Krimi von Volker Pesch,

und auch hier schlagen wieder die Ostseewellen an den Strand, es gibt viel Lokalkolorit (diesmal vor allem von Warnemünde) und eine interessante neue Kommissarin, Doro Weskamp, die aus Kiel stammt und auch nach vielen Jahren in Rostock noch als Zugereiste gilt. Sie nimmt es aber gelassen hin, warum sollte es in Rostock anders sein als überall sonst? Natürlich geht es, wie immer in einem anständigen Regionalkrimi, um die Befindlichkeiten der Einheimischen, aber auch eben um mehr als das. Anfangs wird ein Traditionsschiff versenkt, ein junger syrischer Flüchtling, der sich an Bord befand, ertrinkt.

Galt der Anschlag dem alten Segler (Konkurrenten, die sauer sind, weil die Kundschaft die Traditionsschiffe vorzieht?) oder dem Geflüchteten? Natürlich ist alles ganz anders, und die Aufklärung führt die Kommissarin und uns damit viele Jahrzehnte zurück, zu den Sünden der Väter sozusagen. Die geradezu biblisch die nachfolgenden Generationen immer weiter heimsuchen. Stichwort. Kriegsenkel und der relativ neue Forschungsbereich der Epigenetik. Und weil es biblisch wird, hat der aus früheren Krimis von Volker Pesch bekannte Polizeiseelsorger Tom Schroeder ebenfalls einen Auftritt und gerät tiefer in die Ermittlungen, als ihm möglicherweise lieb ist.

Volker Pesch: Der letzte Grund, Pendragon Verlag, 283 S., 13.90 www.pendragon.de (GH)

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Lokalkrimi

Reinhard Rohn haben wir ja schon häufiger gelobt, und nun hat er einen neuen Krimi, natürlich aus Köln. Der Ermittler Schiller, den wir aus zehn früheren Romanen kennen, wird in diesem nur im Nebensatz erwähnt, denn  hier tritt der neue Romanheld auf, Robert Faller (die Älteren unter uns denken hier vielleicht an den Serienstar Robert Fuller und haben gleich ein Bild vor Augen …) Faller ist ein ehemaliger Starjournalist, der sich vor vielen Jahren aufgemacht hatte, um eine Verschwörung der Bilderberger aufzudecken – ihm waren Informationen zugespielt worden, diese Schurken wollten das Bargeld abschaffen. As damals unvorstellbar schien! Und es stimmte auch nicht, und der Schwindel flog auf und Fallers guter Ruf ar ruiniert. Seither schlägt er sich mit Aufträgen durch, die eigentlich eit unter seinem Niveau liegen, Firmenchroniken z.B. Zu Beginn des Buches ist er in einem elenden Zustand, seine Freundin ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, und als ihn die Tochter einer Kollegin von früher aufsucht, weil ihre Mutter verschwunden ist, sieht er zunächst keinen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen. Den sieht er auch nicht, als der ungeheuer reiche Bankier Wartenstein, der bei allem, was in Köln wichtig ist und Geld bringt, seine Finger mit ihm Spiel hat, ihm anbietet, für ein traumhaft hohes Honorar die Chronik der Bank zu schreiben. Und dabei war es doch Wartenstein, der Faller damals die Falle gestellt hat … Aber natürlich gehen ihm die Zusammenhänge nach und nach auf, und wir lernen, dass der Kölsche Klüngel noch viel ärger ist, als allgemein behauptet wird. Ein spannender Krimi also mit viel Witz und Lokalkolorit und einer Menge interessanter Typen, wie es sie – vielleicht - nur in Köln gibt (perfekt wäre der Lesegenuss, wenn der Autor endlich begönne, in Wennsätzen nicht mehr „würde“ zu schreiben!). Reinhard Rohn: Faller und der Pate von Köln, Emons Verlag, 287 S., www.emons-verlag.de, 14,-- (GH)

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Mord in den Cotswolds …die Cotswolds, diese romantische englische Landschaft, bergen allerlei Möglichkeiten, schaurige Verbrechen zu begehen.

Wir haben die englische Autorin Rebecca Tope ja schon heiß empfohlen, und jetzt geht es weiter mit der Lobhudelei.

Es gibt eine ganze Serie von Cotswolds-Krimis, in der Hauptrolle: Thea Osbourne. Ihr Mann ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, und nun muss sie sich in ihrem unwillkommenen neuen Leben zurechtfinden.

Um sich finanziell über Wasser halten zu können, andere Eindrücke zu bekommen und Zeit zum überlegen zu haben, verdingt sie sich aus Haus-Sitterin. Sie hütet also Haus, Garten, Tiere und was auch immer von wohlhabenden Leuten, die einen längeren Urlaub antreten wollen, in diesem Buch: eine Kreuzfahrt.

Kaum ist das Ehepaar, bei dem sie im ersten Buch einspringt, an Bord gegangen, schon findet Thea im Gartenteich einen Toten. Einwandfrei Mord, und sie war offenbar die Letzte, die ihn noch lebend gesehen hat. Er stand nämlich vor ihrer Tür, als Thea erst eine  halbe Stunde allein im Haus war – und die große Frage ist nun, was wollte er wirklich, außer sie im Dorf zu begrüßen? Denn er hätte eigentlich gar keine Zeit für Höflichkeitsbesuche gehabt, es war Melkzeit und er wurde dringend im Stall des familieneigenen Bauernhofs erwartet.

Einfach umwerfend, spannen und witzig ist dieser mit viel Ortskenntnis geschriebene Auftakt zur neuen Serie, und es ist schon abzusehen, dass die Lektüre süchtig macht.

Rebecca Tope: A Cotswold Killing, 414S., 7,99 £, http://www.rebeccatope.com/ (GH)

Vom Arabischen Frühling war in letzter Zeit viel die Rede, Rückblicke, was ist davon geblieben. Guter Grund, noch einmal einen Blick in einen Krimi zum Thema zu werfen, der zwar schon vor einigen Jahren erschienen, aber immer noch aktuell und immer noch lieferbar ist.

Sophie Sumburanes erster Krimi spielt zwar vor allem in Leipzig (viel Lokalkolorit), aber es gibt Verbindungen nach Kairo, und die sind viel enger als zunächst gedacht. Indiz: In beiden Städten gehen Täter wie Opfer im KFC essen, in beiden schmeckt es dort gleich scheußlich! Eine Geschäftsfrau wird ermordet, und alles weist daraufhin, dass der Mörder ein bei ihrer Firma angestellter ägyptischer Ingenieur ist. Natürlich ist das alles nicht so einfach, zumal da offenbar zwei Ägypter ein und ausgegangen sind, oder vielleicht doch nur einer? Warum sollte der dann aber unter zwei Namen auftreten? Und was hat er in Kairo gemacht, ehe er nach Leipzig gekommen ist? Dann ist da noch der Ex der Ermordeten, ein von Anfang an unsympathischer Macho mit dem Tenornamen Leander Lore – in welcher Verbindung steht der nun wieder zu allem?

Kommissarin Charlotte Petzold hat mehr als genug zu tun, um diesen Fall zu klären – und ihr neuer Assistent Mario Lasslo erkennt, dass das Polizistenleben ganz anders ist, als er erwartet hatte.

Ein neuer Krimi von Sophie Sumburane ist für nächstes Jahr angekündigt, hoffentlich wieder mit diesem hinreißenden Duo!

Sophie Sumburane: Gefährlicher Frühling, Pendragon, 280 S. 12.99 www.pendragon.de (GH)

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Die englische Autorin Rebecca Tope haben wir ja schon mehrfach angepriesen, und damit machen wir auch weiter, bis sich endlich ein deutscher Verlag für diese grandiosen Krimis findet – und dann erst recht. Hier geht es nun weiter mit der Cotswolds-Serie.

Thea Osborne, wir erinnern uns, muss nach dem Tod ihres Mannes ihr Leben neu sortieren, und um zu sich zu kommen, verdingt sie sich als House-Sitterin. Diesmal scheint alles ganz einfach zu sein. Eine ungeheuer sympathische und unkomplizierte Patchwork-Familie möchte zwei Wochen in Irland verbringen und vertraut Thea Haus, Garten und eine Menge Getier an, z.B. ein fußkrankes Pony (das dann in der Geschichte eine wichtige Rolle spielen wird).

Thea freut sich auf zwei ruhige Wochen – aber natürlich überstürzen sich die Ereignisse. Ihre Schwester Jocelyn sucht vor ihr Zuflucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann, und in der Scheune hängt ein Selbstmörder. Genauer gesagt, wie es sich herausstellt, wurde er in einer anderen Scheune ermordet und dann in der von Theas Arbeitsgebern aufgehängt. Die, scheinbar so sympathisch und unproblematisch, sind nicht zu erreichen, und die ganze Nachbarschaft, allesamt extrem unsympathisch und problematisch, versucht mit allen Kräften, Thea und Jocelyn aus dem Haus zu vertreiben. Aber die beiden können nicht weg, denn der gewalttätige Gatte darf Jocelyn ja nicht finden. Und dann stellt Thea auch noch fest, dass sie den ermittelnden Kommissar ein bisschen zu attraktiv findet. Ganz viel Lokalkolorit, wunderbare Beschreibungen von Land und Leuten, kluge Sprüche, dieses Buch ist wieder ein Genuss.

Rebecca Tope: A Cotswold Ordeal, Allison & Busby, 349 S, 8,99 £, http://www.rebeccatope.com/    (GH)

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Ein Krimi oder ein Science Fiction? Auf den neuen Roman von Zoë Beck trifft beides zu.

Er spielt in nicht allzu ferner Zukunft in Frankfurt und München, aber in beiden Städten hat sich einiges verändert. Die Umweltkatastrophe ist weit fortgeschritten, Waldbrände wüten an den Stadträndern, den Reichen geht es glänzend, den Prekären geht es dreckig – wir sehen also eine Entwicklung, die sich auch jetzt schon deutlich abzeichnet.

Harriet, die Hauptperson, wird, Auslöser: ein Waldbrand, mit Erinnerungen konfrontiert, an die sie sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht erinnern kann. Ihre Mutter ist tot, ihr Vater dement, wer kann ihr helfen, die falschen von den wahren Erinnerungen zu trennen? Und vor allem, herauszufinden, wer ihre Erinnerungen manipuliert hat, und warum?

Die Reise nach München und in die Vergangenheit wird zu einem Horrortrip, aber am Ende hat es sich für Harriet gelohnt. Harriet ist von Beruf Klavierbauerin, hat aber nur selten die Gelegenheit, ihr Handwerk auszuüben, sie hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und ist glücklich, wenn sie zwischendurch irgendwo ein Klavier stimmen oder einem trotzigen Kind Unterricht geben darf.

Es gibt wunderbar viel Klaviermusik in diesem Roman, und wir erfahren so einiges über das Innenleben von Klavieren. Und sogar, dass die Polizeisirenen in München auf eine Quarte eingestellt sind, ist hier zu lesen.

So viel Klavier gibt es sonst nur bei Ketil Bjørnstad (in seiner autobiographischen Romanfolge „Die Welt, die meine war“, im Osburg-Verlag), aber Klavier und Sci fi zu mischen, das schafft nur Zoë Beck!

Zoë Beck: Memoria, Suhrkamp Verlag, 281 S, 16,95,  https://zoebeck.blog/  (GH)

   
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