Rezensionen

Andries Boone – T.I.M.E.L.A.P.S.E

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Ein bemerkenswertes Instrumental-Album mit einem unverhofften Star: der Accordina. Sie ist eine Kreuzung aus Knopfakkordeon und Mundharmonika, so etwas wie eine aus Holz gefertigte Melodica, die seitlich angeblasen wird. Andries Boone spielt sie meisterhaft und ausdrucksstark in einer Weise, die mich an den großen Toots Thielemans (Jazz-Mundharmonika) erinnert.

Ihre klaren, langgezogenen Töne kombiniert Boone mit Mandoline und Piano, ebenfalls selbst gespielt. Gäste an Bass und Waldhorn sorgen mit dafür, dass in ganz unterschiedlicher Klangerzeugung mehrere Oktaven wirkungsvoll und wohltönend abgedeckt sind. Dieses zweite Soloalbum des belgischen Komponisten entstand in der Corona – Zeit und hat entsprechend einen melancholischen Grundton. Es würde sich durch seine emotionale Qualität gut als Filmmusik eignen.

Wie im Zeitraffer (Timelapse) begleiten die zehn Titel durch einen Tag, vom Sonnenaufgang bis tief in die Nacht, mit wechselnden Stimmungen, aber bruchlosen Übergängen. Man kann sich gut menschenleere Landschaften dazu vorstellen. Mehrere Melodiestränge umspielen einander, wobei die Rollen wechseln. Der Sound verbindet Einflüsse von Folklore bis zu moderner Filmmusik, mal ruhig, mal aktiv und swingend. Die wie eine Balalaika tremolierende Mandoline verweist auf Osteuropäisches, das Piano auf die Klassik. Mit leichten jazzigen Disharmonien wird die Musik nie zu glatt oder plakativ. Ich hoffe, dass Andries Boone aus der Rolle des Geheimtipps herausgeholt wird und die verdiente internationale Anerkennung findet.

www.andriesboone.com

(küc)

ist ein Liedermacher aus den USA, seine neue CD ist live auf New Island aufgenommen und laut Pressetext der Höhepunkt seines bisherigen Schaffens.

Niederländische CD

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Britta Maria kennen wir ja schon, niederländische Sängerin und großartige Interpretin französischer Chansons auf Niederländisch eben. Nun liegt die neue CD vor, bei der sich Fans im In- und Ausland im Crowdfunding engagiert haben – und das Warten hat sich natürlich gelohnt. Diesmal keine bekannten Namen, deren Lieder wir in neuer Interpretation erleben, nein, Britta-Maria und die Leute aus ihrer Band haben alles selbst geschrieben. Und zwar in „einer Zeit, in der die Welt in ihren Grundfesten erbebte, während uns auch die Stille überfiel“, wir erinnern uns gar zu gut an diese nicht lange zurückliegende Zeit. Die Werke von Britta Maria und ihrer Band brauchen sich vor den großen Vorbildern wahrlich nicht zu verstecken! „Der Umweg“ heißt das Album, denn auf einem Umweg entdeckt man oft ganz neue Dinge, hört ungehörte Melodien, kommt sich selbst entgegen, hört die eigene Stimme, die auf den bekannten, oft ausgetretenen Wegen zu leicht verhallt. „Gebt mir einen Umweg“, so heißt es im Titelsong, geschrieben von Maurits Fondse, der auch einige Lieder singt. Was schön ist, auch wenn wir von Britta Marias Stimme natürlich nicht genug bekommen können. Eine abwechslungsreiche, klangvolle, wunderschöne CD. Britta Maria & Maurits Fondse: De Omweg, https://brittamaria.nl/ (GH)

Belgische CD

Eine neue CD von Guido Belcanto wird immer mit Herzklopfen erwartet, und diese jedenfalls erfüllt alle Erwartungen! Auf dem Cover sehen wir den Meister im Unterhemd in einem ziemlich heruntergekommenen Zimmer auf dem Bett sitzen, müde sieht er aus, scheint nicht zu wissen, wie es weitergehen soll. Aber keine Angst, das Bild ist wie eine Illustration zum traurigen Lied über den Sänger Antoine, der auf einer Parkbank endet.

Im Original war das ein Lied von Townes Van Zandt, und bei den übersetzten Liedern auf der CD finden wir auch einen Titel von Bob Dylan und den alten Ohrwurm „Windmills of my mind“, auf Flämisch viel schöner: „In de kronkels van mijn geest“.

Ja, und die „Ghostriders in the sky“, und zur Melodie von „The Banks of Pontchartrain“ eine ergreifende Ballade über die Liebe zur „Meisje von het Meetjesland“, die Liebe endet so unglücklich, wie das nur bei Guido Belcanto passieren kann, aber der Sänger würde so ungefähr alles geben, um noch einen einzigen Tag mit ihr zusammenzusein.

Es ist aber längst nicht alles so melancholisch – wer auf dem Misthaufen des Lebens Rosen züchtet, kann schließlich kein Pessimist sein. „Rozen op de mesthoop van het leven“ ist ein weiteres umwerfendes Lied auf diesem umwerfenden Album!

Guido Belcanto: In de kronkelen van mijn geest“, Starman Records, www.starmanrecords.com (GH)

Wirklich schon fünf Jahre ist es her, dass von Salif Keita eine neue CD auf den Markt kam?

Christophe Bourdoiseau – Migrant

Geboren in den Niederlanden, aufgewachsen in Mailand und Paris, lebt Christophe Bourdoiseau nun im Prenzlauer Berg in Berlin. Ebenso viel fältig wie die Stationen seiner bisherigen Lebensreise sind die Herkunftsländer seiner Begleitmusiker, und bemerkenswert ist, dass die Stammbesetzung seiner Band, das "Trio Scho" aus Musikern aus Russland und der Ukraine besteht. Ja, das geht, und das geht sogar außerordentlich gut! Herausgekommen ist ein musikalisch und textlich absolut hochkarätiges Album französischer Chansons, zwischen Melancholie, Sehnsucht, Freude, durch die Stammcrew unverkennbar mit leicht osteuropäischem Einschlag. Das Ganze meisterlich arrangiert von Gerhard Meier, der hier in der großen Besetzung mit Bläserensemble auch als Posaunist mitwirkt. Das Booklet enthält alle Texte. Für Freunde klassischer französischer Chansons sehr zu empfehlen. MC
Webseite: www.christophebourdoiseau.com

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Niederländische CDs

78 Jahre alt ist Boudewijn de Groot jetzt, und noch immer überrascht und erfreut er seine Fans. Wer ihn nicht kennt: Er ist in den Niederlanden so ungefähr das, was Reinhard Mey hierzulande ist, ein großer Liedermacher und wundervoller Sänger. Er wurde 1944 in einem japanischen Gefangenenlager in der Nähe von Batavia, dem heutigen Jakarta, geboren, seine Mutter starb im Lager, nach Kriegsende gingen die Überlebenden der Familie in die Niederlande, wo Boudewijn bei einer Tante in Haarlem aufwuchs. Dieser traumatische Lebensbeginn hat nichts mit der neuen CD zu tun, er wird hier nur kurz erzählt, für die, die Boudewijn nicht kennen.

Das neue Album nun, ja, selten war die Bezeichnung Album so treffend wie hier. Die CD steckt in einem kompakten Band von Taschenbuchgröße. Alle Texte sind dort vertreten, alle Mitwirkenden werden ausführlich vorgestellt, dazu gibt es schöne Fotos. Fast alle Lieder hat Boudewijn selbst geschrieben, wie immer singt er und spielt Gitarre, Akkordeon und Klavier.

Sein Stil? Manchmal wie vor 65 Jahren, als er seine ersten großen Erfolge hatte, manchmal weicht er ab von den alten folkigen Pfaden, es wird ein bisschen poppig, wir hören Anklänge an niederländische Kirmesmusik, Boudewijn kann auch flippig werden, alles ist so gut und überzeugend, wie wir ihn eben kennen. Und wer ihn nun kennenlernen will: Es ist nie zu spät, und als nächstes will er eine Auswahl seiner Lieder auf Friesisch einspielen (wir werden berichten) – die heiße Empfehlung: „Raven boven Wales“, („Raben über Wales“), die Mutter aller Ohrwürmer, einfach nur noch hinreißend.

Boudewijn de Groot: Windveren, Universal Music Books, https://www.boudewijndegroot.nl (GH)

Christophe Bourdoiseau: Migrant, https://christophebourdoiseau.com/ (GH)

Französische CD

Das Richtige für die Älteren unter uns, die früher Moustaki gehört haben und später nie wussten, woher Infos über neuere Entwicklungen in Frankreich nehmen. Dass ein Lied auf der frisch erschienenen CD von Christophe Bourdoiseau „Solitude“ heißt, nimmt natürlich sofort dafür ein. Aber wir wollen die Vergleiche nicht zu weit treiben. Christophe Bourdoiseau, geboren in Maastricht (was in seinem musikalischen Wirken aber leider keine Spuren hinterlassen hat), aufgewachsen in Mailand und Paris, wohnt heute in Berlin. Er schreibt fast alle seine Lieder selbst, auf Französisch, klar, wenn er auch gern mal Brocken aus anderen Sprachen einmischt. Themen sind Heimweh und Migration, wunderschön seine Huldigung an das Pariser Viertel seiner Kindheit, „O ma banlieue“. Freundschaft ist wichtig in seinen Texten, sei sie für wenige Tage oder für immer, Begegnungen in der Fremde, unter Exilierten, ob die nun freiwillig dort sind oder weil ihnen nichts anderes übrigblieb (interessant ist, dass Begegnungen mit den Einheimischen in seinen Liedern keine Rolle spielen, vielleicht hebt er sich das für den nächsten Silberling auf). Ergreifend „Nana“, über die Hauptperson aus Emile Zolas gleichnamigem Roman. Ein Album also mit vielen Facetten und einfach und unbedingt hörenswert! Christophe Bourdoiseau: Migrant, https://christophebourdoiseau.com/ (GH)

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