BÜCHER & HEFTE

Rainer_Wittkamp.jpg         Wenn ein Buch vom Pendragon Verlag kommt, denken wir natürlich sofort: Krimi! Es gibt natürlich auch die alte Devise: Wenn gemordet wird, ist es ein Krimi. In diesem Buch wird gewaltig gemordet, also soll es bei der Devise bleiben. Man kann es durchaus als Krimi lesen, bis zur total überraschenden Auflösung am Ende. Es geht um den Beruf des Henkers, der, zumindest in der Theorie, wichtig und sogar human ist, befreit er die Volksgemeinschaft doch von Schädlingen und sorgt für die Sicherheit dem betreffenden Staat anvertrauten Menschen. So die Theorie – und wie leicht es ist, diesen grausamen Unsinn jungen Menschen einzureden, zeigt das Buch an zwei Beispielen, Nazideutschland und DDR.

So ganz wohl ist weder dem Staat noch dem Henker bei diesen Argumenten, oder warum ist der Beruf des Henkers nicht angesehen und geehrt, warum werden die Hinrichtungen mitten in der Nacht ausgeführt, warum wird den Angehörigen mitgeteilt, XY sei leider in der Haft an einem Herzversagen gestorben? Die beiden Männer, an deren Beispiel die Geschichte erzählt wird, haben nur selten Zeit, sich mit solchen Gedanken zu beschäftigen, im Grunde wollen sie das auch nicht, zu sehr verlangt das übrige Leben – und das Überleben! – von ihnen Kraft und Aufmerksamkeit.

Spannende Geschichte also, mit starken Milieuschilderungen aus Berlin und zwischen 1930 und 1970 – und einem kleinen Abstecher in den Spanischen Bürgerkrieg, wo der dritte Henker im Buch zeigt, was sich wirklich hinter dem Gerede von „human“ und „Sicherheit für die Volksgemeinschaft“ verbirgt. Musik gibt es übrigens auch, nämlich das Werk des Komponisten Ottmar Gerster, mit dem die Beschäftigung durchaus lohnt (Spoiler: keine unbedingt angenehme Bekanntschaft). Rainer Wittkamp: Mit aller Macht, Pendragon Verlag, 247 S, 18,--, www.pendragon.de GH)

Das Schweigen in mir von AlAmmar, Layla | Buch | Zustand sehr gut - Bild 1 von 1

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Hörbuch: Das Schweigen in mir - von Layla AlAmmar

Eigentlich kein Buch für das FM, aber nun wurde es zur Rezension geschickt, und da soll es auch erwähnt werden.

Und empfohlen!

Es ist das Hörbuch zu dem Roman Das Schweigen in mir, übersetzt von Yasemin Dinçer.

Der Roman erzählt die Geschichte einer syrischen Journalistin, die vor dem Krieg nach Europa geflohen ist. Sie will eigentlich nur ihre Ruhe haben, am Fenster sitzen, das Leben der anderen beobachten und versuchen, mit ihren Kriegserlebnissen zurande zu kommen. Aber es kann die Beste nicht in Frieden leben, wir wissen das ja. Rassistische Übergriffe und fremdenfeindliche Aktionen zwingen sie schließlich dazu, ihre Stimme zu erheben. Und das tut sie, nachdrücklich, aber voller Poesie und mit bildreicher Sprache.

Vorgelesen wird der Roman von Katja Donowski. Layla AlAmmar: Das Schweigen in mir, GoyaLit, aus dem Haus Jumbo, www.jumbo-medien.de (GH)

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Norwegische Sagenwelt

Eine Gruppe von Menschen wartet auf das Morgengrauen, und um die Nacht herumzubringen, erzählen sie reihum Geschichten – eine „Urszene der Literatur“, wie die Herausgeberin und Übersetzerin Dörte Giebel in ihrem Nachwort schreibt.

Wir kennen die Szene aus Wilhelm Hauffs „Wirtshaus im Spessart“. Ganz so dramatisch geht es in diesem Buch allerdings nicht zu. Schauplatz ist Nordnorwegen vor etwa hundertfünfzig Jahren. Die besagten Menschen machen sich auf, um Angelikawurz zu sammeln, ein Kraut, das als Gewürz, Leckerei und Arznei hoch im Kurs steht (und übrigens auch als Tabakersatz, wie ein alter Mann kichernd bemerkt).

Ehe sie sich am Lagerfeuer niederlassen, sehen sie in der Ferne einige winzige Torfhütten, und auf die Frage: „Wer wohnt da eigentlich?“, kann jemand antworten: „Der Bären-Jørn“.

Nun ist klar, dass erzählt werden muss, wie Jørn zu diesem Beinamen kam, und so gibt ein Wort das andere, die Erzählungen werden immer phantastischer, es wimmelt nur so von Wiedergängern, Zauberkünsten und Unterirdischen, bei denen man nie weiß, ob sie den Menschen Gutes oder Böses wollen, die Menschen aber zu gern mit süßer Musik in ihre Berge locken, was zu der Frage führt, ob sich Trolle und andere Unterirdische für technische Neuerungen interessieren und demnächst in Motorbooten auf dem Fjord ihr Unwesen treiben werden.

Verstorbene Bräutigame rächen sich, wenn die Braut keine ewige Treue hält, und verschollene Fischer ersinnen noch im Tod Möglichkeiten, um gefunden zu werden, da sie doch in geweihter Erde bestattet werden wollen. Die Toten können sich aber auch irren und aus Versehen den Falschen verfolgen - das Leben im Diesseits wie im Jenseits ist voller Unwägbarkeiten, und wer gute Unterhaltung sucht, oder Stoff, um selbst mal wieder eine Ballade zu dichten, ist mit diesem Buch perfekt bedient.

Die norwegische Autorin Regine Normann (1867 – 1931) ist in ihrer Heimat eine von den Großen, hierzulande aber muss sie noch entdeckt werden. Dieser kleine Band mit phantastischen Erzählungen könnte und sollte ihr dabei helfen. Das „Kabinett der phantastischen Geschichten“ des Verlag JMB ist übrigens eine Fundgrube gerade für Autorinnen, die dringend (wieder)entdeckt werden sollten.

Regine Normann: Die Angelika-Wanderung, Sagen und Erzählungen, Broschur, jmb-Verlag, , 80 S., 9 €, übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Dörte Giebel

Überflieger. Die vier Leben der Schmetterlinge, Gebundene Ausgabe von Veronika Straass,Claus Peter Lieckfeld, Dölling u. Galitz, 9783862181506

ÜBERFLIEGER

WUNDERBARE FOTOGRAFIEN zu den Entwicklungsstadien der Schmetterlinge mit ökologischen und ethnologischen Hintergründen.

Ausdrucksvoll sind die 4 Stadien in Bildern dargestellt und zeigen wunderbar die Metamorphose der Schmetterlinge vom Wurm, der Raupe zum elfengleichen Lichtwesen.

Als Bildband und Sachbuch ist das Werk ein kostbares Buch, das als Lehrbuch wunderbar geeignet ist.

Wer mehr über Schmetterlinge wissen möchte, wer eine Arbeit darüber zu schreiben hat, wer auf Reisen unterwegs Schmetterlinge beobachtet, wer Schmetterlinge liebt hat mit dem Buch einen wertvollen Schatz, der Schönheit und Wissen vermittelt und darüber hinaus vor allem Freude bereitet. h

BUCH MIT MUSIK

Richard Marsh, Geschichtenerzähler und Autor aus Dublin, hat nun sein erstes Kinderbuch veröffentlicht. Oder – Kinderbuch? Schwer zu sagen, die Heldin ist jedenfalls fast noch ein Kind. Aisling verliert bei einem Verkehrsunfall ihre Sehfähigkeit. Sie muss lernen, blind zu sein, und ihre Eltern hoffen, dass die Musik ihr einen Trost bietet. Ohne große Begeisterung nimmt Aisling nun Klavierstunden, und im Wohnzimmer ihrer Klavierlehrerin stolpert sie über eine Harfe. Stolpert sie wirklich, hat die Harfe ihr nicht eher ein Bein gestellt? Die Harfe hat vor langer Zeit dem legendären Harfner Ruairidh Dall Ó Catháin gehört (dessen bekannteste Stück „Tabhair dom do lámh“ so eine Art Signaturmelodie von Liam Ó Floinn wurde), und dessen Geist spukt noch immer durch die Saiten. Aisling ist offen für die Stimme aus der Vergangenheit und wird sehr schnell zur virtuosen Harfnerin. Das muss sie aber auch – der Betrieb, in dem ihr Vater arbeitet (darüber erfahren wir leider so gut wie nichts), ruft zum Streik auf, das Geld aus der Streikkasse reicht kaum zum Überleben für die Familie. Dass Aisling mit ihrer Musik Geld verdienen kann, ist da eine große Hilfe. Doch nun erregt sie die Aufmerksamkeit der Sidhe, also der irischen Unterirdischen. Der Fair People, wie sie auf Englisch heißen, wegen ihres sehr hellen Teints. Die häufig gehörte Bezeichnung Fairies hassen sie nämlich. Wir erfahren allerlei Wissenswerts über die Herkunft, Mentalität und Zukunftsaussichten dieser Wesen, und jedenfalls, sie lieben Musik, Höflichkeit dagegen ist nicht gerade ihre Zier, und Aisling wird kurzerhand verschleppt und soll für den König der Feenbande aufspielen. Doch Aislings kleiner Bruder David zieht aus, um sie zu befreien, bewaffnet mit zwei Big Macs, zwei Sicherheitsnadeln und einigen Tütchen Salz. Und mit der Hilfe einer isländischen Hulda, die Altnordisch spricht, kann er zum Glück auch rechnen. Hier wird nicht verraten, wie es ausgeht, alles kann nachgelesen werden in diesem wunderbaren Buch voller irischer Musik und Feenkunde! Neben der spannenden Handlung wird allerlei an Info vermittelt: Wie so eine Harfe aufgebaut ist, welche Arten die alten Harfner gespielt haben, und wie – und warum die heute beliebten „keltischen Harfen“ keine klangliche Ähnlichkeit mit dem Original aufweisen.

Richard Marsh: The Haunted Harp, Mazgeen Press, 132 S., 11,33. www.richardmarsh.ie     GH

   
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